Quiems / Eine Reisende, Figur (1988)

Quiems / Eine Reisende, Figur
Performance, Merve Verlag, Berlin 1988

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Bereits seit Ende der 1970er Jahre entwickelte Thomas Schulz raumbezogene akustische Skulpturen aus Stahldrähten, die über Glas, Metall und Wände verspannt wurden und Punkte im Innen- und Außenraum verbanden; der Innenraum wurde zum Klangkörper und Resonanzraum, in dem die akustischen Turbulenzen des Außenraums über den Draht hörbar wurden. Die Stahldrähte bildeten dabei die visuellen Sichtachsen im Innen- wie im Außenraum und waren gleichzeitig als Instrument bespielbar. Oftmals fanden diese akustischen Interventionen als einmalige, vom Künstler realisierte Performances statt.

So auch „Quiems / Eine Reisende, Figur“, die im Sommer 1988 in den Verlagsräumen des Merve Verlags in Berlin Schöneberg zur Aufführung kam. Im Hinterhof des Gebäudes hatte Thomas Schulz drei Drähte verspannt, die durch eine runde Glasscheibe führten und auf den umliegenden Dächern sowie unten an den Gleisanlagen der S-Bahn verankert waren. Zwei dieser Drähte führten durch Bohrungen in der Fensterscheibe der Fabriketage zu einem Gitarrenverstärker. Das Publikum verfolgte durch die geschlossenen Fenster in der Fabriketage das Geschehen im Außenraum. Dort befand sich der Künstler auf einem Skylift und bespielte mit seinen Händen die Drähte, brachte sie zum Schwingen. Jede Berührung des Drahtes erzeugte lang anhaltende Klänge, die aus dem Inneren des Materials zu kommen schienen, überlagert von Geräuschen des Außenraums: das Herannahen und Verschwinden der S-Bahn, den Wind und die atmosphärischen Klänge des städtischen Umfelds.

Die akustischen Interventionen von Thomas Schulz fanden oftmals außerhalb von Museen und Galerien statt, in Fabriken, Ruinen oder in der Landschaft. Die auditive Erforschung von architektonischen und topologischen Gegebenheiten war dabei ebenso von Interesse wie die klanglichen Resonanzen und Stimmen des Materials.

Ingrid Buschmann in Berlinzulage, Katalog, Künstlerhaus Bethanien, 2018, s. 372-379

 

Quiems / Eine Reisende, Figur (A Traveler, figure)
Performance, Merve Verlag, Berlin 1988

Thomas Schulz has been developing acoustic sculptures related to specific spaces since the late 1970s. Steel wires span over glass and metal to walls, connecting spots within interior and at exterior spaces. The inside room became a body of sound, a resonance chamber that audibly reflected the turbulences of the space outside, transported through the wire. The steel wires thereby formed the visual axes at both the interior and exterior spaces, while they could also be played as instruments. The artist often performed these acoustic interventions only as a one-off event.

This was also the case with “Quiems / Eine Reisende, Figur”, performed in the summer of 1988 at the facilities of publisher Merve Verlag in Berlin Schöneberg. In the backyard of the building, Thomas Schulz had strung three wires that led through a round glass pane and were anchored at the surrounding roofs and to the tracks of the S-Bahn on the ground. Two of these wires passed through holes in the office window panes to a guitar amplifier. The audience followed the exterior action through the closed windows of the former factory floor. The artist stood on the platform of a sky lift and played the wires with his bare hands, making them vibrate. Each touch of a wire created long-lasting, sustained tones, seemingly coming from within the material, superimposed by sounds from the outside space: the approaching and departing of the S-Bahn trains, the wind, and the urban ambient noise.

Thomas Schulz’s acoustic interventions often took place outside museums and galleries, in old factories, urban ruins, or in open landscapes. The auditory exploration of architectural and topological conditions was as much of interest to him as the sonic resonances and the voices of the material.

Ingrid Buschmann in Berlinzulage, catalogue, Künstlerhaus Bethanien, 2018, pp. 372-379.